Sehr geehrte Damen und Herren,
die Empfehlung der Ausschüsse des Bundesrats zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Nr.
19 der Ausschussempfehlungen, BR-Drs. 256/1/24) zur Streichung der Ausnahmeregelung
für das Kupieren der Rute bei Jagdhunden halten der Deutsche Jagdverband und die in ihm
zusammengeschlossenen Landesjagdverbände für fachlich unbegründet. Ihre Umsetzung
würde einer Vielzahl von Jagdhunden länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche
Schmerzen oder Leiden zufügen. Sie wäre ein erheblicher negativer Rückschritt in Sachen
Tierschutz.
Jagdlich geführte Hunde werden nicht aus ästhetischen Gründen oder wegen Rassestan-
dards kupiert, sondern aus Tierschutzgründen, um zu erwartende Verletzungen bei jagdlich
geführten Hunden zu vermeiden.
Es ist unzutreffend, dass es keine Studien oder belastbare Daten gibt, die ein deutlich erhöh-
tes Risiko von Rutenverletzungen bei Jagdhunden belegen: In Studien aus Schweden An-
fang der 90er Jahre wurde nachgewiesen, dass beispielsweise bei 191 Deutsch-Kurzhaar
Hunden schon im jugendlichen Alter von 12 – 18 Monaten 72 Hunde (38 %) Verletzungen
der Rute aufwiesen (Streijffert, 1992). Mit zunehmendem Alter nahm der Prozentsatz zu. Je-
der dritte Hund hatte schwerwiegende Verletzungen. In neueren veterinärmedizinischen Stu-
dien aus Schottland (Lederer et al., 2014; Cameron et al., 2014) wurde 2.860 Jagdhunde ei-
ner Jagdsaison analysiert. 13,5 % zeigten mindestens eine Schwanzverletzung. Besonders
betroffen waren stöbernde Jagdhunde, bei denen 56,6 % der Tiere mehr oder weniger
schwere Schwanzverletzungen aufwiesen, und zum Apportieren eingesetzte Jagdge-
brauchshunde mit 38,5 % verletzter Tiere in einer Saison. Vor diesem Hintergrund hat die
schottische Regierung 2016 das Kupieren bei bestimmten Jagdhunderassen wieder erlaubt.
Bei der Jagd auftretende Verletzungen der Rute sind entgegen den in der Begründung ent-
haltenen - unbelegten - Aussagen keineswegs geringfügig. Eine Rutenverletzung ist eine
sehr langwierige und vor allem schmerzhafte Angelegenheit. Der Heilungsprozess ist im Mi-
nimum mit fünf bis sechs Wochen anzusetzen. Er ist außerdem häufig von Komplikationen
geprägt. Die Rute ist Teil der Wirbelsäule. Es kommt teils zu aufsteigende Entzündungen im
Wirbelkanal. Es gibt viele Beispiele, in denen entzündete Ruten scheibchenweise abge-
schnitten werden mussten, bis am Schluss nur noch ein kleiner Stummel übrigbleibt. Meist
ist bei einer Entzündung, auch im Bereich der Schwanzspitze, eine Totalamputation notwen-
dig. Das ist im fortgeschrittenen Alter des Hundes schmerzhaft, und der Hund muss sich an
ein neues Körpergefühl gewöhnen.
Unzutreffend ist auch die zur Begründung herangezogene Aussage, dass es in anderen Län-
dern seit Einführung eines generellen Kupierverbots keine Probleme bezüglich des Einsat-
zes nicht kupierter Jagdhunde gegeben habe. Auch aus Ländern mit langer Jagdtradition wie
Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden und die Schweiz erreichen uns Rückmeldun-
gen zu ernsthaften Problemen bei Rutenverletzungen. Gerade vor dem Hintergrund riesiger
Kalamitätsflächen in deutschen Wäldern (> 500.000 ha) und der vor dem Hintergrund der
ASP (Afrikanische Schweinepest) dringend notwendigen weiteren Absenkung der Schwarz-
wildbestände, werden im Jagdbetrieb leistungsstarke und gesunde Jagdhunde unterschied-
lichster Rassen zur Aufgabenerfüllung gebraucht.
Richtig ist, dass die Rute ein wichtiges Kommunikationsinstrument ist. Sie bleibt aber (jeden-
falls heutzutage) beim Kupieren soweit erhalten, dass sie diese Funktion weiterhin ausfüllen
kann. Die Rute wird nur gekürzt, nicht entfernt, dies beeinträchtigt die Funktion als Kommuni-
kationsmittel praktisch nicht. Kupierte Jagdhunde können sich untereinander und mit nicht-
kupierten Hunden ohne Einschränkungen gut verständigen. Sie sind mental mindestens ge-
nauso zuverlässig wie andere Hunde und sozial integrierbar.
Auch das Gleichgewicht leidet nicht. Ein einwandfreier Bewegungsablauf ist Vorrausetzung
für den praktischen Jagdbetrieb. Gekürzte Ruten behindern weder die Behändigkeit zu Was-
ser noch zu Lande. Die Hunde sind körperlich fit und robust gesund, leistungsstark und im
Jagdbetrieb unverzichtbar.
Bei fachgerechtem, bis zum vierten Lebenstag durchgeführtem Kupieren sind keine Erkennt-
nisse bekannt, nach denen das Kupieren zu chronischen Schmerzen im Rückenbereich bis
hin zu Lähmungserscheinungen führen kann. Auch diese in der Begründung der Ausschüsse
des Bundesrats enthaltene Behauptung ist unbelegt und nicht nachvollziehbar. Das Kupieren
erfolgt durch einen Tierarzt. Unter örtlicher Betäubung wird ein kleiner Teil der Rute mit ei-
nem kleinen Schnitt abgenommen. Dann bildet sich an dieser Stelle ein Narbengewebe,
Haare wachsen wieder darüber und an dieser Stelle ist später nichts zu erkennen.
Nur Hunde, die tatsächlich jagdlich geführt werden, werden kupiert. Züchter erhalten eine
Bescheinigung ihres Zuchtverbandes, dass es sich um einen Welpen aus jagdlicher Leis-
tungszucht handelt. Darüber hinaus muss der Züchter bestätigen, dass dieser Welpe nur in
Jägerhand abgegeben wird.
Dass nicht alle jagdlich geführten Hunde kupiert werden, liegt daran, dass die Behaarung der
Rute, ihre Stärke, Ausformung und Länge – und damit ihre Verletzungsempfindlichkeit - von
Rasse zu Rasse sehr unterschiedlich ist. Auch die Art des „Kurzhaars“, fein und dünn oder
im Gegensatz hierzu nahezu stockhaarig, spielt eine entscheidende Rolle bei der Verlet-
zungsgefahr. Auch einige langhaarige Jagdgebrauchshunderassen, wie z.B. der Deutsche
Wachtelhund, der klassische zum Stöbern eingesetzte Waldgebrauchshund, wie auch der
Cocker-Spaniel, werden kupiert, da das Verletzungsrisiko bei allen Arbeiten im deckungsrei-
chen Gelände sehr hoch ist. Langhaarige Hunde haben allerdings einen gewissen Schutz
durch die Fahnen, ihre langen Haare am Schwanz. Sie bremsen die Rutenbewegung und bil-
den mit den langen Haaren einen natürlichen Schutz. Rutenverletzungen treten deshalb bei
langhaarigen Hunden weniger auf.
Die Erfahrung von Tierärzten zeigt, dass die bei sehr jungen Welpen (wenige Tage alt) mit
dem Kürzen der Rute verbundenen Schmerzen nur sehr gering sind. Bei Abwägung aller län-
ger anhaltender oder sich wiederholender erheblicher Schmerzen oder Leiden beim Kupie-
ren und beim Unterbleiben eines Kupierens, ist es aus Sicht von DJV und JGHV geradezu
ein Gebot des Tierschutzes, die bisherige Einzelfallregelung im deutschen Tierschutzgesetz
beizubehalten. Verallgemeinerungen sind nicht zielführend und das Auftreten von Verletzun-
gen bei Jagdhunden ist sowohl von der individuellen Anatomie (z. B. lange, dünne Ruten) als
auch von der Einsatzumgebung (z. B. dornenreiches Unterholz) abhängig.
Folgende Kriterien können helfen, die bisherige Einzelfall-Lösung weiter zu konkretisieren,
um den derzeitigen Ansprüchen des Tierschutzes und der Unerlässlichkeit des Eingriffs zu
genügen:
1. Welpen dürfen nur durch einen Tierarzt kupiert werden, der auch die Unbedenklich-
keit bestätigt;
2. Welpen dürfen nur bis zum vierten Lebenstag kupiert werden;
3. Der Züchter muss dem Tierarzt eine Bescheinigung seines Zuchtverbandes vorlegen,
aus der hervorgeht, dass es sich ausschließlich um Welpen aus jagdlicher Leistungs-
zucht handelt und die kupierten Welpen ausnahmslos an Jäger abgegeben werden.
Wenn das Kupieren unter den heute geltenden Bedingungen durchgeführt wird, ist es auf je-
den Fall vertretbar, tierschutzgerecht und erst recht zeitgemäß!
Gerne stehen wir für weitere Beratungen zur Verfügung.
Referenzen
ï‚· Eriksson (1999) Tail Docking Ban in Scandinavia – an Empirical Report -
http://www.vdd-canada.ca/public/docs/scandinavian-tail-docking-report.pdf
ï‚· Strejffert, Gunilla (1992), Tail injuries of shorthaired German pointer dogs born in
Sweden 1989
ï‚· Lederer, Rose (2014) Investigations regarding tail injuries in working gundogs and
terriers in pest control in Scotland. MVM(R) thesis. - http://theses.gla.ac.uk/5629/
ï‚· Cameron, N., R. Lederer, D. Bennett, T. Parkin (2014): The prevalence of tail injuries
in working and non-working breed dogs visiting veterinary practices in Scotland. Vet.
Rec. 174, 450
ï‚· Diesel, G., D. Pfeiffer, S. Crispin, D. Brodbelt (2010): Risk factors for tail injuries in
dogs in Great Britain. Vet. Rec. 166, 812
ï‚· Lederer, R., D. Bennett, T. Parkin (2014): Survey of tail injuries sustained by working
gundogs and terriers in Scotland. Vet. Rec. 174, 451
ï‚· South African Wingshooters Association - Policy Statement on Tail Docking in Gun-
dogs: http://www.dpctz.com/Policy_Statement_on_Tail_Docking_in_Gundogs.pdf.