„Bremen ist alles andere als eine klassische Jagdstadt", schrieb 1931 Dr. Otto Grambow, der Vorsitzende der Bremer Jägervereinigung, die einen Bezirksverein des Allgemeinen Deutschen Jagdschutzvereins (ADJV) bildete, in einem Grußwort zu einer Jagdausstellung. Und dennoch hat es zu allen Zeiten in Bremen und Bremerhaven weidgerechte Jäger gegeben, die in ihren Revieren im Gebiet der Unterweser Freude an der Schönheit der Natur und Jagd gesucht und gefunden haben. Die Menschen, vor allem in den industriellen und städtischen Ballungsräumen, entfremden sich zusehends von der Natur. Ihr Tier- und Naturverständnis wird immer mehr von den Medien beeinflusst oder sogar manipuliert als durch eigenes Erleben im Grünen geprägt. Vor diesem Hintergrund wachsen die Vorurteile gegen die Jagd und aus Unkenntnis sehen viele Menschen in ihr nur das „Töten von Wildtieren“. Hinzu kommt, dass ein großer Teil der Bevölkerung Waffen, welcher Art auch immer, nach zwei verheerenden Weltkriegen ablehnend gegenüber steht. Das „Gewehr“ gilt vielen als Symbol der Gewalt und Gewalt wird heute zu Recht allgemein verurteilt. In den Medien wird kontrovers berichtet. Die einen behaupten, die Jäger rotteten aus „Mordlust“ Tierarten aus, die anderen verbreiten, es gebe zu viel Wild, das den Wald verbeißt, da die Jäger zu wenig schießen. Das Thema „Jagd“ wird in unserer Gesellschaft leidenschaftlich diskutiert und am lautesten fordern heute die ihr Verbot, die am wenigsten davon verstehen. Diese Menschen können oder wollen nicht die großen Verdienste der Jäger um Wild und Natur in Deutschland sehen, da sie nicht wahrhaben wollen, dass die Jagdverbände und die in ihr organisierten Jäger sich seit mehr als 100 Jahren für den Erhalt eines artenreichen Wildbestandes in der Kulturlandschaft unseres Industriestaates einsetzen und damit aktiven Naturschutz betreiben.
Gerade auch deshalb ist die Mitgliedschaft unserer Landesjägerschaft im „Deutschen Jagdverband“ heute genauso wichtig wie der Zusammenschluss deutscher Jäger in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts, als am 15. März 1875 in Dresden der „Allgemeine Deutsche Jagdschutzverein (ADJV)“ gegründet wurde, mit dessen Bremer Gruppe die 1922 ins Leben gerufene „Jägervereinigung Bremen e.V.“ sich 1928 zur „Bremer Jägervereinigung e.V. - Bezirksverein des ADJV“ zusammenschloss. Der Gründung 1875 ging folgender Aufruf voraus: „Angesichts des aus mancherlei Ursachen in Deutschland immer mehr abnehmenden Wildbestandes, der in größter Ausdehnung auch wohl auftretenden Wilddieberei und der mangelhaften Ausführung bestehender Schongesetze sowie der durch Jagdschutzvereine in benachbarten Ländern erzielten Erfolge, haben wir uns veranlasst gesehen, einen Allgemeinen Deutschen Jagdschutzverein anzuregen, zu befürworten und ins Leben zu rufen“. Wenn sich auch die Problemstellungen im Laufe der Zeit geändert haben - das Unwesen der Wilddieberei spielt in Zeiten wirtschaftlicher Sättigung natürlich nicht die Rolle wie nach den Wirren zweier Weltkriege -, so sind die Ziele und die Aufgaben der Jagdverbände unverändert: Schutz der frei lebenden Wildtiere und der Jagd.
Wir müssen den Jägern dankbar sein, denen es in politisch schwierigen Zeiten nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg gelungen ist, die bremischen Jäger in einer starken Organisation zusammenzuschließen. Hier sind besonders die Herren Otto Abbes (1922-1927), Dr. Otto Grambow (1927-1934) und vor allem Dr. Arend Tellmann 1946-1962) zu nennen, der die Bremer Jägervereinigung in den 1949 gegründeten „Deutschen Jagdschutz-Verband“ - Vereinigung der Deutschen Landesjagdverbände - führte und dessen Präsident er von 1960-1963 war. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass das Jagdwesen in Deutschland bedeutende Anregungen aus der Bremer Jägerschaft erfahren hat. Bremen ist das erste Land gewesen, das auf rühriges Betreiben von Otto Abbes die später überall vorgeschriebene Jägerprüfung eingeführt hat Bremer Jäger haben auch in den 50er Jahren dem Jagdhundewesen in Deutschland entscheidende Impulse für die Arbeit des Gebrauchshundes auf der natürlichen Wundfährte gegeben.
Die Jagd in Deutschland blickt auf eine lange Tradition zurück. Sie hat Kunst, Kunsthandwerk, ja sogar unsere Sprache (durch die Lappen gehen, die Flinte ins Korn werfen, etwas auf die Löffel geben) mit gestaltet. Sie ist ein Teil unserer Kultur. Sinn und Zweck des Jagens haben sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert. War die Jagd am Anfang Beutemachen zum eigenen Überleben, wurde sie später zum höfischen Vorrecht, zum Zeitvertreib des Adels. Mit der Revolution 1848 wurden die Jagdregale des Adels beseitigt und das Jagdrecht dem Grundeigentümer zugesprochen. Die Jagd wurde bürgerlich. Leider missbrauchten viele Jäger die neu gewonnene Freiheit, da nicht allen der Begriff des Hegens geläufig war. Zu Unrecht erworbene Jagdbeute ließ sich sogar nutzbringend verwerten. Trotz der in den Ländern bestehenden Landesjagdgesetze zeigten sich Behörden und Gerichte lange Zeit unfähig, diesem Treiben ein Ende zu setzen. Hinzu kam, dass durch die Erfindung der Zentralfeuerpatrone, die den Vorderlader ablöste, die Chancen für das Wild schlagartig verschlechtert wurden. „Deshalb waren sich große Teile der deutschen Jäger aus Adel und Bürgertum darin einig, dass nur in einem solidarischen Schaffen der Deutschen Jägerschaft die Chance bestand, einer anständigen, weidgerechten Jagd und einer artenreichen Wildbahn ihr Daseinsrecht dadurch zu verschaffen, dass mit der Vervollkommnung der Jagdwaffen auch eine Vertiefung des weidmännischen Pflichtbewusstseins Schritt halten muss und dass die Jagd nicht zum Stiefkind der Gesetzgebung absinken darf.
Diese Zielsetzung dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, wenn wir unser Weidwerk als eine der traditionsreichsten Formen der Naturnutzung erhalten wollen. Wir müssen die Mehrheit der nicht jagenden Bevölkerung für uns gewinnen. Wir müssen ihr klarmachen, dass nach dem Bundesjagdgesetz das Recht zur Jagd mit der Pflicht zur Hege unabdingbar verbunden ist, dass wir uns als Anwälte der frei lebenden Tiere und ihrer Lebensräume verstehen. Der ehemalige Kärntner Landesjägermeister Dr. Gerhard Anderluh hat für die Jagd der Zukunft gefordert, „dass sie sich erstens wieder mehr ihren natürlichen Wurzeln nähern muss, dass sie zweitens ökologisch orientiert und drittens von hohem Ethos getragen sein muss.“ Naturschutz und Naturnutzung schließen sich nicht aus, sondern müssen sich ineinander greifend ergänzen, um eine intakte Umwelt zu erhalten. Obwohl Karl Friedrich von Eggeling zu Recht schreibt, es sei falsch, „immer nur von Umwelt zu reden, denn Umwelt stellt den Menschen in ihren Mittelpunkt. Umwelt ist bereits Selbstzweck. Mitwelt sollte es heißen, in ihr wird der Mensch zum Teil, vielleicht sogar nur zum Teilchen“ und er wünscht sich, „dass unser Land nicht Umwelt des Menschen, sondern Mitwelt aller Geschöpfe bleibt.“
Die Glaubwürdigkeit der Jäger, ihr Handeln in den Revieren wird entscheidend für die Zukunft der Jagd in Deutschland sein. Jeder von uns ist aufgerufen, im Rahmen seiner Möglichkeiten durch Sachkenntnis die Zukunft mit zu gestalten und durch sein Auftreten in den Revieren dazu beizutragen, dass die Jagd als flächendeckend angewandter Naturschutz die ihr gebührende Akzeptanz in unserer Gesellschaft erfährt. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit anderen Naturschützern, denen es wie uns ernsthaft um den Erhalt der frei lebenden Wildtiere geht. Die Mehrheit unserer Mitbürger wünscht sich einen gesunden Wald und in ihm einen artenreichen Wildbestand. Dass dies in unserer Kulturlandschaft ohne Jäger nicht möglich ist, gilt es klarzumachen. Die Natur kann in dem ihr durch die Menschen in unserem dicht besiedelten Land angelegten engen Kleid den Bestand der Wildarten, die keine natürlichen Feinde mehr haben, nicht selbst regulieren, es sei denn durch Seuchen und Krankheit. Um Wald, Pflanzen und Tiere im ökologischen Gleichgewicht zu halten, ist Jagd unverzichtbar. Es ist Aufgabe der Jagdverbände, eine ökosystemgerechte Jagd in unsere neue gesellschaftliche Wirklichkeit zu integrieren. „Ökosystemgerechtes Handeln in der Jagd bedeutet aber nicht, nur zu reduzieren und zu regulieren, wo es notwendig ist, sondern bedeutet auch Populationsüberschüsse zu nutzen, wo es der Population nicht schadet“, also eine verantwortungsbewusste, nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen.
Jagd muss unverzichtbarer Bestandteil unserer Kultur bleiben. Möge unsere Landesjägerschaft Bremen ihren Teil erfolgreich dazu beitragen, dass auch noch unsere Kinder und Enkel die Jagd als eine Quelle beglückender Freude im Kreislauf der Natur erleben können.
Gerhard Delhougne